Mein Traum in der letzten Nacht — Lorim:
— in einer alten Stadt wandere ich umher. Diese Stadt zeigt
sich mit Altem, in schwarz-rotem Gemäuer, düsteren, engen Fußgängertunneln,
Bahnüberführungen mit schwarz rauchenden Lokomotiven, dunkelroten und fettigen
Ziegelstein-Mauern, mit grauen Fußgängern, mäßig gefüllten Läden, düsteren Bars
. . . . Irgendetwas suche ich. Wie immer trage ich einen fersen-langen, weiten
Rock, und darunter einen knielangen, fast weißen Unterrock mit grauem
Spitzenrand, beide Röcke sind weit und ein wenig flatternd. In einer zur Straße
offenen Bar setze ich mich auf einen Barhocker.
Mein Rock? Hellgrün mit schmalen, gelben Streifen,
senkrecht. Einige rote Punkte unregelmäßig dazwischen verteilt.
Jemand sitzt auf dem Nachbarhocker, mir zugewendet. Ich
stütze den linken Fuß etwas hoch auf eine Querstrebe seines Hockers. Er streckt die Hand aus und berührt mein
linkes Knie, von dem ich den Rock etwas zurück gestreift hatte. Mir wird wohlig
in dieser düsteren Altstadt-Stimmung. Dann fühle ich eine andere Hand mehr von
unten unter dem Rock. Diese Hand berührt die nackte Haut über dem Strumpfrand,
ganz oben am Oberschenkel, dort wo die Haut so feinfühlig ist, erogen ist. Die
Hand bewegt sich höher und berührt und umfaßt meinen fast nackten Unterkörper. Ich
blicke hinunter, und ein Paar weiche, liebevolle Augen sehen mich an. Da sitzt
jemand auf dem Fußboden vor und unter meinem Barhocker und gibt mir diese
Schmeicheleien.
Meine Röcke sind weit, und das verführt mich immer
wieder, kühle Luft und fast unbedacht Blicke drunter zu lassen. Ich denke, DAS
sind die ursprünglichen Hauptgründe, daß ich so gerne Röcke trage, schon von früher
Kindheit an. Und mit zunehmendem Alter immer dringender. Ich brauche diese Röcke
für meine starke und feine Selbst-Erotik. Ich liebe meinen Körper, besonders
die Haut. Ich liebe es, wenn auch andere meinen Körper lieben.
Und die Beine bedecke ich gerne mit feinen Langen Strümpfen.
Sie lassen oben einen Teil der Oberschenkel frei — frei für die Kühle
der Luft und frei für mehr oder weniger erwünschte, zufällige Blicke anderer
Menschen. Und die Langen Strümpfe habe ich gerne mit zwei oder vier
Strumpfhaltern gehalten, die oben an einem Hüfthalter oder Strumpfhalter-Gürtel
angeknöpft sind, die ich unter der Oberkleidung trage – wie in unserer Kultur
seit Jahrhunderten üblich, eher bei Frauen und Kindern als bei Männern. Im
Gespräch zeige ich gerne die Strumpfhalter, sie haben die bekannten blitzenden Drahtklammern
am Ende, mit denen ich die Strümpfe fest klammere. Eine Zierde meines Körpers,
denke ich.
Das alles sind wohl meistens erworbene oder selbst
anerzogene Muster, entstanden aus prägenden Erlebnissen in Kindheit und Jugend.
Oder auch aus angeborenen erotischen Bedürfnissen, meine ganz eigenen Bedürfnisse.
Es sind auch gute, erotische Gefühle, wenn ich das
auf alten Fotos sehe oder selbst zeichne – vorwiegend bei Knaben, denen ich
mich als ehemaliger Knabe (im alten Leben?) nahe fühle.
Mein großer Hund steht auf und steckt seine Nase
unter meinen Rock, er leckt da unten, hingegeben. Sehr geliebte Gefühle. Und
dann leckt er an den empfindsamen Seiten meiner nackten Oberschenkel, eine
lange Zeit, wohl zehn Minuten, inbrünstig
Ich stehe auf, und der Mensch unter dem Hocker und
mein Hund folgen mir. Der Mensch ist etwas kleiner als ich, ein wohl fünfzehn-jähriges
Wesen, Mädchen oder Junge. Die Kleidung verrät nichts. Die leise helle Stimme
auch nichts. „Darf ich mit dir kommen? Ich werde dein Haus pflegen und ein
wenig essen und mein Schlafen feiern.“ Das Kind trägt einen langen Mantel. Die
Haare sind Nacken-lang und wehen weich im Winde. Unter dem Mantel sehe ich gelegentlich beige
Strümpfe, so wie ich sie trage. „Wie nenne ich dich?“ Nur ein Achselzucken. „Darf
ich Eike sagen? Das passt für Mädchen und Junge.“ Ein Nicken. Eike
beginnt leise ein helles Lied zu summen. Mir kommen die Tränen, so schön ist
das Ganze. Wir setzen uns auf ein Mäuerchen am Hafen, und ich genieße. Eike
summt liebevoll weiter. Eike schlägt die Mantelschöße etwas zur Seite, und ich
sehe die bestrumpften Knie.
Viel Wärme spüre ich im Herz. Eike, ein großes Kind
mit viel Gefühlen. „Gerne würde ich dich ein wenig umarmen, ja?“ Doch Eike wird
das zu viel, lehnt ab. Eike berührt meinen Hals und meinen Arm, „das ist doch
genug, oder?“ Und pflückt ein gelbes Blümchen aus der Mauer, „das ist doch
genug, nicht?“ Ich lege das Blümchen auf meinen nun blau-grün karierten Rock,
ein gelb-blaues-grünes Strahlen im Schoß. In Eike´s Gesicht strahlt es auch. Zu
unseren Füßen liegt mein Hund.
Und die Mantelschöße noch weiter geöffnet, und Eike
zeigt einen beige-blaßgrün karierten Rock, „Das ist ein Kleid; sieh mal, auch
das Oberteil hat dieses Muster.“ Die Strümpfe sind auch beige und passen zum
Kleid. „Welches Muster ist das? Ein schottischer Tartan?“ „Ach ja, so ähnlich. Ich
war mal in London, und da sah ich einen schottischen Stoffladen, und da habe
ich mir diesen Stoff gekauft, und meine Mutter . . . sie kann so gut schneidern.
Sie hat mir dieses Kleid genäht.“
„Ich ziehe lieber Kleider als Hosen an, und Röcke,
alles bunt, am liebsten kariert, schottischen Stil, oder irischen Stil. — Auch
zur Schule.“ — „und passende Strümpfe?“ „ja natürlich, sieh mal hier, wie lang
die sind, viel länger als deine,“ und Eike zieht kurz den Kleiderrock hoch und
zeigt mir das obere Ende der Strümpfe hoch oben neben dem Hüftknochen,
befestigt an irgendetwas in der Unterkleidung. Und schlägt ihn wieder runter,
legt ihn auf die Schenkel. „Und das sind
meine Strumpfhalter, echte mit Drahtschlaufen, nicht so Kinderknöpfe wie
deine,“ höre ich eine etwas spöttisch gemeinte Bemerkung, die aber an den
Tatsachen vorbeigeht, denn auch ich habe solche Schlaufen.
„Und nun möchtest du sicher wissen, ob ich Mädchen
oder Junge bin, ja?“ — „Na ja, in der Bar hatte ich noch diese Frage, aber nun
nicht mehr. Für mich strahlst du von beidem eine Menge aus, Junge und Mädchen,
mal so, mal so. Und das ist wunderschön!“ — „Das freut mich, so möchte ich sein.
Ich werde es dir nicht zeigen, du sollst dich auch nicht bemühen oder es
erraten. Lass es so wie du es nun erfühlst. Wenn du mich mal nackt siehst, nimm
nicht wörtlich oder ernst, was du siehst, sieh am besten wo anders hin. Stimmt
sowieso alles nicht.“
Wir gehen in mein Häuschen in einem Vorstadtgarten. Nein,
das ist eher ein kleiner und alter Park. Da stehen auch zwei große Ginkgo-Bäume.
„Dein Name Eike passt mir nicht, er ist so hart,“ sage ich. „Denk dir einen
anderen aus.“ Mir fallen ein paar ein: Lorim, Larion, — „du hast am Ende die Entscheidung
— doch vielleicht können wir auch mal den einen, mal den anderen Namen nehmen,
oder? „Inzwischen merke ich langsam,
Lorim ist eine Fee, ein nicht-menschliches Wesen, nur menschen-ähnlich. Anders
kann Larion nicht zugeordnet werden — „ich kann überhaupt nicht zu-geordnet werden,“ meint Lorim still lächelnd.
Nein, ein-e Fee
stimmt auch nicht. Wenn ich schon unsere Sprache nehme, dann müsste es das Fee heißen, und so will ich es auch halten.
Larion, das Fee. Lorim, das Fee.
Wir sitzen unter den Ginkgos auf dem wilden Rasen. Der
Name meines Hundes, unseres Hundes sage ich nun, ist Nanok, war schon immer so
und soll nicht verändert werden. Und mein Name? Ich frage Lorim, „nun,
vielleicht Arion? Nein das wäre meinem Larion zu ähnlich, doch warum nicht? Ähneln
wir uns nicht?“
Lorim trägt feste Schistiefel, derbe wie es gar nicht
passt, denke ich. „Zieh sie doch aus,
hier im Garten,“ sage ich. „Ach, ich mag den Kontrast zwischen meinen Beinen,
meinen Strümpfen und diesen Stiefeln, dazwischen die altmodischen Schisocken. Strümpfe
beige, Socken grau, Stiefel dunkelbraun — das ist doch fast wie eine Flagge“ „Und
dazu dein buntes Kleid.“
„Weißt du, ich liebe meine Beine — überhaupt liebe
ich meinen ganzen Körper. Manchmal denke ich mir feine, zarte Flügel — wie
Eintagsfliegenflügel, und dann schwirre ich in der Luft. Doch gerade jetzt geht
es nicht. Ich spüre, du wünschst dir das, aber jetzt gerade nicht. Oder wie
eine Köcherfliege, da habe ich für deinen Bericht ein Bild gefunden, hier:“
Lorim legt sich auf den Rücken und stellt die Knie
auf und schläft ein. Nach einiger Zeit kommt ein Goldammer-Hahn geflogen und
landet auf einem der Knie. Ein neuer Kontrast: der braun gemusterte Vogel mit
dem strahlend-gelben Kopf und die beige Knie von Larion. Den weiten Kleidstoff
um den Körper gerafft. Die Arme unter den feinen Kopf gekreuzt. Die langen,
braunen Haare in Gras und Kräutern ausgebreitet, wie ein Strahlenkranz. Lorim
beginnt leise zu zwitschern, der Vogel fällt in den Gesang ein, ein kleines
Vogel-Lied. Aus dem Lied höre ich heraus „Wie, wie hab´ ich dich lieb.“
Da setzt sich das Kind auf, gähnt und beginnt, seine
Beine zu streichen, zu massieren, beugt sich vor und küsst die Knie. Lacht hell
und meint, „siehst du nun, ob ich ein Mädchen bin?“ Der Vogel war ein paar
Meter weiter geflogen und pickt im Gras, ein zweiter Vogel, ohne das Gelb am
Kopf, setzt sich daneben und pickt auch. Larion sieht gerührt hin und sagt, „wir
könnten auch etwas essen, ich werde einen Haferbrei machen, richtig so? Hast du
so was?“
„Und mach einen Kornkaffee, bitte, mit Ziegenmilch.“ Lorim´s
Kleiderrock fliegt beim Aufspringen, und ich sehe die langen Beine in den beige
Strümpfen — fast bis oben hin. Lacht schrill und streift mit den Händen die
Rockschöße nach unten — verlegen? Ich glaube nicht. Doch dann klettert das Fee
auf den Kirschenbaum und pflückt ein paar süße Kirschen, und lacht mich aus und
lässt den weiten Rock wieder fliegen — wie Feen-Flügel, denke ich. Springt
runter, und wie dabei das Kleid um Lorim´s Kopf fliegt, sehe ich schnell wo
anders hin, weil sich das so gehört — in unserer Abmachung, unserer Liebe.
Liebe? Ja, das ist es wohl.
Zum Essen sitzen wir weiter auf dem Rasen. Lorim legt
sich hin und zieht mich zu sich, lockt wie der Goldammer-Hahn vorhin, „Wie, wie
hab´ ich dich lieb“, genau so. Ganz gerührt bin ich und lasse mich locken. Lorim
zieht mich neben sich, streichelt meine Knie, gurrt dabei wie eine dieser
Turteltauben im Park, ich frage, „bist du eine Taube? Was bist du eigentlich?“ Lorim
lacht mich an, lacht mich aus und wendet sich zur Seite. „Weißt du das noch
immer nicht? Ein Fee, ein Feen-Kind, ein Liebhaber-Kind.“ — und küsst mich leicht auf eine Wange, „ein Küsser-Kind,
ein Turtel-Kind“.
Lorim streichelt meine Beine entlang, vom Fuß bis an
das Ende der Strümpfe — durch die
leichte Rauhheit der Strümpfe ist es mir wohlig, streicht über die Strümpfe,
vibrierende Gefühle innen in den Beinen, das Kind fasst mit seinen
Fingerspitzen den Strumpfstoff und zieht ihn etwas nach unten, spannt dadurch
den Strumpfhalter etwas in die Länge —, sieht in meine Augen, oh wie schön: Lorim´s
Augen sind, ganz bunt, blau-grün mit goldenen Fleckchen, schwarze Wimpern mit
kleinen Tröpfchen wie Honig an Liebes-Blüten, gedacht für eine Hummel — ein
wenig tränig die Augen . . .
und zieht meine Unterwäsche mit dem Strumpfhalter
etwas fußwärts, zieht mich damit ein wenig aus. — fein gezogene Brauen, auch
schwarz, keine Stirnrunzel, alles glatt und kindhaft entspannt. Wissende, weise
Augen. Lächelnde Lippen, rosa und kindhaft voll — eben alles feenartig.
Streicht mit der tastenden Hand über meinen Unterleib
und tief unter das lockere Kleid und findet so alle meine Körper-Chakras. Die
Chakras erschüttern sich unter der feen-kindlichen Berührung. Sie geben von
sich, was sie haben: die Sehnsucht nach der Erde, nach der Lebendigkeit, nach
der körperlichen Nähe, nach dem kosmischen Ausmaß der Gefühle, nach der Lust
der eigenen Stimmen, nach den forschenden Blicken tief ins eigene Innere, nach
dem blitzartigen, dem scharfdenkenden Aufstieg hinauf in die Unendlichkeit.
Der Hund erhebt sich und fühlt sich auch berührt,
kommt leicht schnüffelnd zu uns und legt sich wieder, dicht neben meine Seite. Lorim
legt sich auf meinen Bauch, ich fühle die vibrierende Lebendigkeit von Lorim´s
Inneren, den Eingeweiden, strecke die Arme über den Kopf zur Seite, stöhne
leicht vor Lust. Lorim´s Stöhnen ist ganz anders: hell, — hell wie ein Kinderlied. Ein wohliger Kuss neben meinen Mund, ich halte
ganz still vor Erwartung, ein weiterer wohliger Kuss und Lorim´s kühle Zunge
auf meiner Wange, ganz spitz und fein.
Dicht liegen unsere Körper aneinander, über einander.
Versinken ineinander. Die Welt um uns verschwindet, meine Sinne spüren nur noch
unsere vibrierenden Leben — ganz hingegeben.
Sinne verschwinden im Raumlosen, Zeitlosen. Lorim´s Körper wird gläsern
durchscheinend, ich sehe den Mond durch den gläsernen Körper, diffus. Bald ist
Lorim´s Körper verschwunden, ich bin allein. Große Trauer kommt auf, Tränen der
Trauer in meinen einsamen Augen. Eine warme Woll-Decke hat Lorim mir gelassen,
ich wickele sie um meinen Leib, der fröstelt. Wo ist Lorim nun?
Der Schlaf, die Träume sind ohne Aktionen, nur der
alles durch-schwebende, stille Gedanke an Lorim. Auch meine Seele sucht nach
Lorim. Meine Seele müsste es wissen.
Am Morgen eine zarte, neblige Stille vor dem
Sonnenaufgang. Da liegt ein Stück eines Schleiers, den Lorim gestern abend trug.
Duft, wie Lorim, ja! Lorim´s feiner Feen-Duft, bisher noch nie erlebt, ah, das
also ist Feen-Duft! Ich werde diesen Duft in Erinnerung behalten so lange ich
lebe. Wie die schönste Blüte — auch Lorim´s Erscheinung bleibt mir wie eine Blüte
in Erinnerung, rosa, flatternd, von bunten Insekten besucht, leicht summend. Ich
schlafe wieder ein, der Traum ist rosa Schleier, rosa treibender Nebel, Lorim´s
letzte Botschaft.
Dann ist die Sonne richtig aufgegangen, und der
Verkehrslärm tönt aus der Stadt herüber, Recken, letztes Gähnen, Gesicht
waschen, ankleiden — doch Lorim schwebt durch meinen Geist. Kein Vergessen. In
der Kneipe einen Kaffee getrunken, darüber schwebt Lorim´s Schleier . . .
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