Freitag, 30. Dezember 2011




Drittens - Frieda radelt mit Stefan in den Kaiserstuhl (1954)

Hommage an Wolfgang Schnetter, der mir Tuniberg und Kaiserstuhl vorstellte, auch das Badloch. - Gestorben ca 2008, fragt hier: webmaster@nabu-waldbrunn.de

 
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„Bartloch?“ – „ach nein, Baaad-Loch! Da ist ein Bad.“ „Im Loch?“ „Warte, du wirst sehen“
 
Wieder lange Radfahrt, wir fahren nachmittags an der Jan de Weerth-Straße los. Durch die Stadt. Irgendwann kommen wir auf eine weite, flache Fläche, viele Gräben, hier stinkt es eklig. „Was ist hier denn?“ „Die Rieselfelder.“ „Und?“
 
„Hier werden unsere Abwässer gereinigt. Alle Abwässer der Stadt werden hier hingeleitet und in den Teichen gereinigt. Absetzbecken, dann Zersetzen der organischen Reste, dann ist es sauber, soll es sein, einigermaßen.“
 
„Sieh mal dort: ein Wespenbussard, hier wohnen immer mal welche dieser seltenen Vögel.“ Frieda holt ihr Fernglas raus. „Die brüten hier, dahinten am Waldrand, Mooswald. Sieh mal.“ Doch einer kreist über den Rieselfeldern, was er da wohl erjagt. Die Gräben sind schwarz, manche sind grün überwachsen.
 
Von der Stadt aus weiter: Umkirch, Gottenheim, Bötzingen, Ober-Schaffhausen, Vogelsang-Pass, Alt-Vogtsburg. Zuerst der Mundenhof, die Verwaltung der Rieselfelder. Störche, noch immer Gestank, doch die Störche finden hier gewiß reichlich Froschnahrung.
 
Weiter, nach Gottenheim, Bötzingen, und von dort über den Vogelsangpass fast in die Mitte des Kaiserstuhlgebirges – ein  kleines Gebirge, aber wert zu sehen – für Biostudenten. Der Pass geht durch eine Schlucht, hohe Lößwände zu beiden Seiten, oben an der Kante Gebüsch: Liguster und anderes. Irgendwo zeigt Frieda mir einen Seitenweg in diesen Lößschluchten: Lauter Löcher in der Wand in 2 m Höhe und viele Uferschwalben, die umherfliegen, raus und rein und verärgert über unseren Besuch. Sie brüten in der Wand, wie Frieda sagt, etwa 1 m tief haben sie ihre Löcher gegraben. Braune Schwalben. Verärgert? Das ist eine typisch menschliche Sichtweise ... „Was ist Ärger? Eine typisch menschliche und sehr künstliche Regung, die wir nicht wirklich nötig haben ...“ sagt Frieda. Ich habe schon gemerkt, daß Frieda sich nie ärgert.

 
Der Blick zurück von der Passhöhe auf den Schwarzwald und auf die Stadt. Voraus in ein Tal mit einem Dörfchen, ein Kirchlein, Vogtsburg. Im Dorf ein Brunnen – wieder ein Wunder. Frieda sagt, „halte mal mit deiner Hand das Brunnenrohr zu.“ Da ist ein langes, steinernes Becken, für Kühe und so zum Trinken, daneben eine quadratische Säule, etwa 4o cm im Geviert und fast zwei Meter hoch, oben ein Dach aus einer Steinplatte. Die Säule auch nur ein Stein – Sandstein? –, das Becken auch. Frisches Wasser, kühl bei dem heißen Tag, wir waschen unsere Gesichter und trinken. Ich halte das Rohr zu, das in die Säule eingelassen ist. „Und?“ „Warte“ – und aus dem vorher das Wasser floß.


der Brunnen in Alt-Vogstburg
 
Nach einigen Minuten quillt Wasser oben unter dem Dach der Säule hervor und läuft außen entlang nach unten. Ach, nun ist die Säule voll mit Wasser, nun läuft es über. Ein Wunder? Na das wohl nicht, aber witzig.
 
Wir radeln weiter, Richtung Oberbergen, rechts der Badberg, ein kahler Berg mit ein paar Büschen. Da oben sieht es kahl und trocken aus, sommerlich verbrannt, kein Weinanbau wie sonst überall hier, vielleicht gut für Ziegen. 

Fast das ganze Kaiserstuhl-Gebirge ist bedeckt mit Weinbau - auch Wald -, berühmte Weine wie Bickensohler, Ihringer,  Oberrottweiler ..., doch da ich (noch?) keinen Wein trinke ... Und die eigenartige Schönheit der Löß-Hohlwege (Fußnote 1) und -hänge mit ihrer südländischen Tier- und Pflanzen-Bevölkerung ... Es soll keinen anderen Platz in Deuschland geben mit solchen südlich-warmen Eigenarten  „... und Biotopen,“  ergänzt Frieda. (Fußnote 3)
 
Obstgärten unten am Hang des Berges, ein kleiner Parkplatz. Ein Weg bis an den Fuß des Berges, nur ein paar dutzend Meter von der staubigen Starße aus, eine Höhle?, ein längliches betoniertes Becken vor der kleinen Höhle und ... „ja, hier ist das Badloch, im Becken machen die Leute Wassertreten nach Kneipp.“
 
Sorgsam gehen wir an die Höhlenöffnung ran, ein viereckiges betoniertes Loch, ein Bächlein fließt aus der Höhle, etwas Gemauertes um das Wasser aufzufangen und in das Betonbecken zu leiten, „fühle mal das Wasser!“ Es ist warm, nicht heiß aber angenehm warm. „Komm, wir ziehen uns aus und gehen hinein, in die Höhle und setzen uns zusammen ins Wasser.“ 


 das Badloch, Frieda´s Kleid und Wäsche

 der Text auf der Tafel:
HALTE LEIB UND SEELE REIN
1926
GEMEINDE OBERBERGEN

dieses Foto der Quelle fand ich im Internet
ich bitte, es hier stehen zu lassen,
 so fein kann ich es nicht malen

  
Meine seelische Stimmung ändert sich, ich war noch nie in einer Höhle. Meine Sinne erleben das hier anders ... im Innern des Berges, umschlossen, gefangen. Ich war wirklich noch nie in einer Höhle, es ist nicht dunkel, das Grüne draußen ist durch den Eingang gut zu sehen. Doch dämmrig. 
 
In wenigen Zentimetern Wassertiefe Kies und glatter Fels und kleine Tiere am Grund, „Unken, Gelbbauchunken“. Sehen etwas aus wie kleine Kröten, und wenn sie sich gestört fühlen, schmeißen sie sich auf den Rücken und zeigen ihren gelb gefleckten Bauch. Das soll andere Wesen erschrecken – ist ja auch die von Wespen genutzte Warnmusterung.
 
Da ist die Quelle: eine tiefes Loch im Berg, aus dem das Wasser langsam herauskommt. Vor dem Eingang der Höhle gibt es Farne und andere Kräuter, doch innen ist es kahl. 
 
Meine Sinne sind glasklar, doch es ist anders hier als ich dachte. Meine Sinne sind anders als sonst, ist das noch das Badloch? Ich spüre ein paar besondere, große, seltsame Schmetterlinge – schwarz mit dünn hellblau umrandeten Flügeln – sie flattern weich und leise um uns herum und scheinen uns zu prüfen. Langsam fliegen Fledermäuse umher – wir stören sie nicht. Unter uns scheint ein schwaches blaues Licht, als ob dort eine andere helle Welt aus dem Wasser schiene. Nur ab und zu werden die Sinne alltäglich, vorübergehend, dann bin ich wieder hier in der Höhle, sind die Schmetterlinge wieder hier.
 
Es duftet ganz leicht nach Pflanzen und reinem Wasser, wir tauchen ganz ins Wasser ein, und nun duften unsere Körper ebenso. Es ist so still wie ganz tief in der Erde, vielleicht wie ganz tief in einem ruhigen, schlafenden Mutterleib, wir sind zuhause.
 
Frieda und ich sind sowohl Frau und Mutter und Mann als auch Kinder, die tief in diesem Bergleib ruhen.
 
Langsam gehen wir noch tiefer hinein, es wird wärmer und nicht dunkler. Es wird geräumiger, eine große Höhle. Wir gehen sehr langsam und vorsichtig – um nicht andere Lebewesen zu erschrecken, die hier sein mögen
die Unken und andere.
 
Frieda fasst meine Hand, sie sagt „nun mußt du dich eng an mich halten, ich muß dich schützen. Als Mann allein wäre es zu schwer. Und du mußt mich auch schützen, denn als Frau allein ist es auch sehr schwer.“ Hier steht das Wasser und es ist ganz still. Es ist so still, daß nur noch die Geräusche aus dem Körper leise zu hören sind, auch als leichtes, rauschendes Echo an der Felswand.
 
Wir bleiben stehen. Da ist eine Sandbank, und wir steigen hinauf. Aus ein paar Steinen wurde mal eine alte Feuerstelle gelegt, und Überreste von einem kleinen Feuer sind da.
„Wir wollen ein kleines Fest feiern“ sagt Frieda, irgendwie kann sie ein Feuerchen anzünden. Es ist violett und wirklich kaum größer als eine große Blume.
 
„Laß von diesem Wasser etwas über meinen Körper fließen, dann werde ich wie ein Wasserwesen.“ Und sie träufelt ein paar Tropfen auch über meinen Leib und streicht die nassen Stellen ganz sanft mit zwei Fingern.
 
„Trink von diesem Wasser, hier ist es ganz besonders“, und wir beide nippen etwas davon. – „Und iss etwas von diesem Kraut, und alles wird noch heller und klarer.“ – „Nun berühre meinen Körper, und deine Hände werden ganz fühlsam, ganz empfindsam.“ – „Und nun rieche an meinem Körper, überall, wo es schön ist, und alles in dieser Quellhöhle duftet nach mir. Und ich höre und fühle und rieche dich, und für mich ist diese ganze Höhle erfüllt von dir.“
 Diese ganze Höhle ist erfüllt von dir und von mir.
   

Wir sitzen nackt auf dem Sand, und Frieda zeigt mir, wie ich mir vorstelle, wie ein Lichtstrahl unten aus meinem Körper nach unten hinausstrahlt in den Sand, in die Tiefen unter mir ausstrahlt. Ihr ergeht es ebenso. Und dann sagt sie, „atme leise und fühle, wie der Strahl beim Ausatmen tief in die Erde eindringt, und wie er beim Einatmen wieder zurückkehrt, wieder in deinem Körper ist. Er bringt etwas von der tiefen Dunkelheit, von der dunklen Unendlichkeit mit, das ist Heimat, weibliche Heimat.“

Dann sagt sie das vom Atmen: „der Atem fließt leise und duftend in deine Nase, und duftend zieht er tiefer und erfüllt deine Brust, ganz. Nun fühlst du dich voller Leben. Und dann läßt du ihn wieder los, du erschlaffst, der Duft ist weniger geworden, deine Brust ist leer. Es ist wie Sterben, ausatmen ist ein ganz kleiner Tod.“

Dann vom Hören: „leise, leise fließt das Wasser, laß diesen beweglichen Laut in deine Ohren hinein, laß sie hineintröpfeln, hineinfließen in die Tiefen deines Kopfes. Dort hörst du das alles.“ Und tief im Kopf fließt der Fluß, ganz leise und für sich.

„Du hörst meine Stimme, sie ist hell und fein, nimm sie ganz auf und laß sie tief in dich hineinsinken. Du freust dich, meine Stimme zu hören, sie ist dir sehr nah und verwandt. Sie ist ein Teil von dir. – So ist es nun auch mit mir: ich höre deine rauhe und doch weiche tiefe Stimme und genieße sie, es gibt keine schönere Stimme. Sie dringt tief in mein Hören, summt in meiner Brust, in meinem Unterkörper. Sie erregt ein Schwingen in mir, sie schwingt brummend dort, wo der Strahl aus mir in die Erde hinabstrahlt.“

„Nun tasten wir unsere Körper an, streicheln langsam an ihnen entlang, wir berühren sie nicht einmal, halten die Hände einen Finger breit im Abstand von der Haut.“ Ich fühle die Kraft, die aus Frieda´s Körper in meine Hände strahlt, und ich fühle auch, wie meine Hände etwas ausstrahlen und ihre Haut das aufnimmt. Langsam umfahren wir so unsere Körper, mal den eigenen, mal den anderen.

Alle Sinne sind lebendig, spüren, sind weich und aufmerksam. Wie ich eine Hand in der Nähe ihres Herzens hebe, durchwärmt es den Körper und es kommt eine große Freude über mich. Wir halten unsere Hand gegenseitig vor das Herz. Die Herzen beginnen heftig und laut an zu schlagen und wir müssen tief atmen.

Nun verbeugen wir uns tief voreinander und begrüßen die Frau in dir, den Mann in dir.

Frieda legt meine linke Handfläche ganz tief vor ihren Unterleib und sagt, „laß ganz leichte und weiche Lichtstrahlen aus deiner Hand in mich strömen“, und sie tut es auch mit mir. So bleiben wir lange Zeit. Unser Atem geht ganz leicht, ohne Anstrengung. Unsere Körper fühlen sich so leicht und frei an, ganz hingegeben, ganz hingegeben dem anderen Körper, der da vor mir sitzt, ganz hingegeben der anderen Hand, die mich berührt und Strahlen aussendet.

Später nimmt sie meine Hand und hält sie vor die Mitte ihrer Brust und läßt sie dort liegen – mit tiefer Liebe fühle ich ihr Herz, fühle die Schönheit ihrer Brüste, die Weichheit ihrer Haut. Frieda legt ihre Hand an meine Brust, sie sagt, „dein Herz ist so stark, deine Muskeln sind so stark, dein Atem ist stark und ruhig und ganz männlich – mein Atem ist weiblich, merkst du es? Fühlst du das Weib in mir? Fühlst du wie das Weibliche, die Erde, die Mutter in mir bebt?“

„Und fühlst du die Männlichkeit in dir? Das ist viel schwerer,“ sagt sie, „ein Mann ist so allein, er hat nicht die Nähe zur Mutter, zur Erde, zur Schöpfung wie eine Frau sie hat. – Doch deine Männlichkeit strahlt aus dem Herzen aus, und aus deinem Lingam, der sich danach sehnt, in meiner Yoni zuhause anzukommen, sich meinem Leib mitzuteilen, in meinen Leib einzusinken.“

„Ich spüre den Mann in dir, wie er aus dem Herz, aus dem Lingam, auch aus dem Ajna, aus dem Dritten Auge in mich strömt, ja eindringt. Ich gebe mich diesem starken Eindringen und Strahlen und Strömen hin. Ich brauche deine Strahlen, sie machen mich ganz zur Frau – und dein Geben macht dich erst richtig zum Mann.“

So sitzen wir eine Weile, langsam legt Frieda ihre Schenkel um meinen Unterleib, umschlingt meinen Leib, und ich fühle die starken, weichen Schenkel, die Haut, die Bewegung, das Beben, die Lebendigkeit ... so sitzen unsere Körper einander gegenüber, Frieda´s Leib sitzt auf meinen untergeschlagenen Schenkeln. ... wir rücken einander immer näher. Erst ganz unten, spüren nur die Haare aneinander, Frieda lädt meinen Lingam ein, tief in ihren Leib hineinzukommen, in die Wärme und dunkle Weichheit, umfaßt ihn mit dem dunklen Raum ihres liebenden Leibes. Wir bewegen uns ganz wenig, gerade so viel um uns zu spüren. Wir sind sehr langsam – wie Meditierer, und wir sind Meditierer.

Hier schreibe ich aus dem Erinnern: es sind keine Gedanken mehr, nur Wahrnehmen, offene Sinne, Beobachten, Stille in mir, Einheit auch, ein riesengroßer Raum, unendlich ...

Langsam, langsam legen wir die Unterleibe, die ganzen Körper aneinander
spüren, wie Wärme und Liebe und Kraft und Licht hin und her strahlen, von ihr zu mir, von mir zu ihr – zwischen unseren Körpern. Es ist kühl, es ist wie ein kühles Feuer in uns und um uns herum – Feuer, brennend aber kühl, nicht heiß. Das Licht der Höhle ist blau, wie aus allen Ecken kommend. Ganz leicht fließt das Wasser um uns herum, und der Laut des Fließen´s fließt auch in unseren Körpern.

Wir fühlen uns nun endlich Eins mit dem eigenen Körper, ja sogar mit dem anderen Körper. Wir fühlen uns Eins mit der ganzen Höhle, mit dem ganzen Berg, der ganzen Welt. Wir sind Eins mit allem.

Draußen muß es Nacht sein, aber hier in der Höhle, bei uns, ist das Licht so geblieben wie am Anfang, hellblau ohne Herkunft oder Richtung. Diese Stille in uns ...

Nach langer, langer Zeit läßt Frieda ihren Körper von meinem. Wir liebkosen unsere Körper, unsere Haut, unsere Yoni und Lingam, unsere Gesichter, ganz leicht mit zarten Händen und zarten Stimmen. Zarte Stimmen hören wir nun auch von weit draußen: Nachtvögel singen zart. Langsam steigen wir ins Wasser, tauchen tief ein und genießen wie das Wasser unsere Körper umgibt.
 

Draußen vor der Höhle stehen zwei junge Leute und sehen bewundernd unsere Kleider an, die wir über die Rohre neben dem Becken gehängt hatten. Nackt gehen wir hin und ziehen uns an. Frieda zieht ihre Strümpfe hoch und befestigt sie mit den Haltern. Ganz fraulich, anerkannt von den beiden. Sie gehen nun in die Bad-Höhle, vielleicht erleben sie Ähnliches wie wir. Ganz ineinander versunken sind sie, leicht zittern ihre Leiber, nackt, in erregender Erwartung. 

Das Mädchen bückt sich und deht sich um: „habt ihr diesen Stein verloren?“ und zeigt einen blutroten Kiesel. Nein, wir nicht, doch er passt zu Frieda, und nun bekommt sie ihn von der anderen: „der Rote Kiesel“,  „rot ist doch die Farbe der Frauen, die Farbe des Frauenblutes, oder? ... deswegen ...“, und Frieda berührt verlegen ihre Yoni und sieht verliebt zu mir rüber.

 Der Rote Kiesel der Frauen (Fußnote 5)

Über der Höhle steigt ein Pfad den Berg hoch. Oben ist es zwar kahl, aber an manchen seltenen Pflanzen sitzen besondere Tiere, „Schmetterlingshafte“ erklärt Frieda. „Die leben eher weit im Süden.“ Wir sehen Orchideen und Orobranche. Wir hatten in einer Vorlesung gehört, daß Orobranche am ehesten an Vulkanabhängen wächst, der Botanik-Professor Oelkers meinte, er kenne sie vom Ätna und zeigte uns ein Foto. Diese Kräuter sehen etwas aus wie Orchideen und sind blaß, ohne Grün – „sie leben parasitisch, bekommen ihre Nahrung aus anderen Pflanzen,“ sagt Oelkers.

Auf dem Berg singen viele Lerchen ... auch mein Leib zittert leise, noch immer, er möchte wieder nackend sein und sich und die Welt erfühlen, ganz in ihr aufgehen
– wir legen uns in die Sonne, Licht, Wärme, Erdzittern in den Leibern.

Auf einem kahlen Ast sitzt ein Vogelpärchen,  wundersame Tierchen: lange, spitze Krummschnäbel, blau und bunt wie Eisvögel, doch schlank wie Schwalben, ihr Anblick holt mich zurück ins Jetzt, ich bin wieder angekommen, „Bienenfresser,“ sagt Frieda ganz wissenschaftlich, „Merops apiaster“. Das muß es wohl sein, um wieder auf die Welt zu kommen, Bienenfresser, ha, ha.

Irgendwo sehen wir über den Rhein und auf die Vogesen. Frankreich. Das erinnert mich an den französischen Chansonnier Georges Brassens, dessen Lieder bei meinen Eltern neben dem Grammophonschrank liegen: „La Chasse Aux Papillons“  und andere. Doch leider kann ich die Sprache nicht und habe mir eine deutsche Übersetzung machen lassen (Fußnote 6).

 
Später nehmen wir unsere Fahrräder. Ich schwärme, „Komm lass uns mal nach Oberbergen reinfahren, davon erzählen meine Eltern, haben da mal Urlaub gemacht und bestellen sich immer noch Wein von dort. Ich glaube, sie haben eher den Wein genossen als die Schmetterlingshafte auf dem Badberg gesucht, oder die warme Quelle.“

„Obwohl meinem Vater die Quelle bestimmt gut getan hat, er hat doch einen sehr verletzten Fuß von einem Autounfall.“ Die haben dort einen fantasievollen Kirchturm: ganz bunt, „fast schon kitschig,“ sagt Frieda. In sehr großer Ordnung sind da etwa 120 Kreuze auf dem Turmdach verteilt. „kitschig?“ – „weil das Kreuz doch ein Gedenken an die Qual, die Jesus erleiden musste, darstellt. Und nun ein Schmuck?“

Durch Wälder und über Berge radeln wir nach Endingen, ein altertümliches Städtchen, liegt eben außerhalb des Kaiserstuhls, am Rande, da ist ein schönes Stadttor, wohl eher als Zierde denn als Wehr geeignet und gedacht. Und wieder ein prächtiger Kirchturm
jede Ortschaft hier stellt sich mit einer eigenen Art von Turm heraus, großen, alten Reichtum andeutend.

Längs führt eine Straße durch, die Hauptstraße, und da sehen wir etwas sehr altes: eine Tankstelle, wie sonst sie nicht mehr zu sehen sind. Am Straßenrand steht die Tanksäule, in Augenhöhe sind da zwei Glaszylinder, auf jedem steht 5l. Weiter unten ein langer Hebel, den man hin und her bewegt um Benzin aus dem Untergrund in einen der Zylinder zu pumpen bis er voll ist. Dann bewegt man einen anderen Hebel, und das Benzin fließt in den Tank des Autos, währenddessen pumpt man den anderen Zylinder voll. Das alles macht die Ladenbesitzerin für den Autofahrer. Die Säule ist gelb-rot angemalt und schon recht alt und verrostet. Das Benzin ist rot eingefärbt.

   So etwa mag die Säule ausgesehen haben, etwa 2 1/2 m hoch,
..stand auf dem Bürgersteig am Rand

Doch die Glaszylinder sind blank, und wir vergleichen sie mit uns beiden, wie wir nebeneinander davor stehen, eng umarmt, fast verschmolzen. Ich weiß, das tut man nicht, doch wir fühlten uns so nahe, daß uns die allgemeinen Sitten nur wenig kümmerten, heute. In jedem Zylinder können wir ein Spiegelbild von uns sehen, wenn wir nahe genug aneinander rücken. Die Aufschrift 5l mag für uns wohl nicht stimmen. Allerdings stinkt das Ganze nach Benzin, und wir fahren weiter.

Das Dorf (oder Städtchen) Riegel am Kaiserstuhl, im mittleren Bild 
seht ihr ganz links die SHELL-Zapfsäule. 
Gefunden im Internet, alte Postkarte (Fußnote 4).

Im nächsten Dorf Riegel steht wieder eine solche Säule, – oder war da in Endingen garkeine und ich habe nach so vielen Jahren die Dinge verwechselt? Hinter dem Dorf Riegel steht um die Hügel-Ecke die Riegel-Brauerei, auch bekannt durch einen Greifenkopf, der in den Kneipen auf den Bierdeckeln erscheint.


 
Etwa so sah der Bierdeckel damals aus, doch ich habe keinen solchen Bierdeckel mehr, und da musste ich das Wappen von Alt-Wiesloch nehmen und ein wenig nach meiner Erinnerung verändern. Darunter der Schriftzug aus neuerer Zeit.



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Fußnoten:
  

2)  über Endingen und den Kaiserstuhl: http://www.mitwelt.org/endingen-am-kaiserstuhl.html .

3)  In den 1970er Jahren begann die Flurbereinigung in Kaiserstuhl und Tuniberg zu "wüten" (im ökologischen Sinne), und der weiteste Teil der alten Lößlandschaft wurde trotz heftiger Proteste der Narurschützer zerstört. Irgendwo lese ich den zaghaften Satz: "ob die Weine dadurch besser geworden sind, ist zu bezweifeln".

4)  eine käufliche Postkarte, gefunden im Internet: http://www.akpool.de/kategorien/25103-ansichtskarten-riegel-kaiserstuhl

5)  Diesen Stein habe ich in Wirklichkeit in Indien gefunden: nahe Khajuraho, Hauptstadt des Tantra.

6) Jemand hat mir eine nicht ganz perfekte Übersetzung gemacht, die ich hier mal abdrucke:
 Parole de La Chasse Aux Papillons von Georges Brassen: 

Im Deutschen bezieht sich das auf "Schmetterlinge im Bauch haben"

Un bon petit diable à la fleur de l'âge
Ein kleines Teufelchen in der Blütezeit seiner Jugend,
La jambe légère et l'oeil polisson
leichtfüßig und verführerisch,
Et la bouche pleine de joyeux ramages
aus vollem Halse zwitschernd,
Allait à la chasse aux papillons
 ging auf Schmetterlingsjagd.

Comme il atteignait l'orée du village
Als er an den Stadtrand kam
Filant sa quenouille, il vit Cendrillon
sah er Aschenputtel beim Spinnen.
Il lui dit : "Bonjour, que Dieu te ménage
Er sagte: „Guten Tag, möge Gott dich beschützen!
J't'emmène à la chasse aux papillons"
 ich nehme dich mit auf die Schmetterlingsjagd."

Cendrillon ravie de quitter sa cage
Aschenputtel war froh mal rauszukommen
Met sa robe neuve et ses botillons
und zog sich ihr neues Kleid und ihre neuen Stiefeletten an,
Et bras d'ssus bras d'ssous vers les frais bocages
und Arm in Arm Richtung Gehölz
Ils vont à la chasse aux papillons
gingen sie auf Schmetterlingsjagd.

Il ne savait pas que sous les ombrages
Er wußte nicht, dass sich im Schatten des Gehölzes
Se cachait l'amour et son aiguillon
die Liebe versteckt hielt, die mit ihrem Stachel
Et qu'il transperçait les coeurs de leur âge
ihre jungen Herzen durchbohrte -
Les coeurs des chasseurs de papillons
 die Herzen der Schmetterlingsjäger. 

Quand il se fit tendre, elle lui dit : "J'présage
Als er zärtlich wurde, sagte sie ihm: „Ich fürchte,
Qu'c'est pas dans les plis de mon cotillon
dass es nicht in den Falten meines Rockes ist,
Ni dans l'échancrure de mon corsage
auch nicht  im Ausschnitt meiner Corsage,
Qu'on va à la chasse aux papillons"
 wo man Schmetterlinge wird jagen können." 

Sur sa bouche en feu qui criait : "Sois sage !"
Inbrünstig schreit sie auf: „ Sei artig!"
Il posa sa bouche en guise de bâillon
Und er setzte er seinen Mund anstelle des Knebels.
Et c'fut l'plus charmant des remue-ménage
Und das war das zauberhafteste Durcheinander.
Qu'on ait vu d'mémoir' de papillon
In der Erinnerung des Schmetterlings,

Un volcan dans l'âme, ils r'vinrent au village
einen Vulkan in der Brust kehrten sie in die Stadt zurück.
En se promettant d'aller des millions
Sie verspachen sich millionenmal,
Des milliards de fois, et mêm' davantage
milliardenmal und sogar noch mehr
Ensemble à la chasse aux papillons
gemeinsam auf Schmetterlingsjagd zu gehen.

Mais tant qu'ils s'aim'ront, tant que les nuages
Aber solange sie sich lieben, solange die Nebel,
Porteurs de chagrins, les épargneront
die Träger des Schmerzes, sie verschonten,
Il f'ra bon voler dans les frais bocages
konnten sie unbeschwert in das Gehölz eilen
Ils f'ront pas la chasse aux papillons
Sie machten/ sie werden…….machen keine Schmetterlingsjagd

Zu hören und zu sehen zum Beispiel hier:
http://www.youtube.com/watch?v=Lw9obKnwpKw&feature=related




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