Donnerstag, 31. März 2011






Zweitens - Zum Tuniberg – doch vorher ... der neue Boogie ...

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Hommage an Axel Zwingenberger und Silvan Zingg,
– und Reminiscence an meinen Mangel an Temperament zu rechten Zeit



Leise fragt Frieda, „Ich hatte doch gesagt, laß uns am Freitag nachmittag zum Tuniberg fahren, mit unseren Rädern, gel?“ -  während sie neben mir am Labortisch steht und in einer lila Lösung den pH-Wert bestimmt. „Doch am Freitag abend ist Tanz im Tanzclub in der Lorettostraße.“

„Tanzclub? Soll ich etwa tanzen? Pardon, das war noch nie was für mich – das ist so langweilig, habe nicht mal Tanzstunde genommen.“

„Ach komm doch mit, wirst schon sehen, was ganz Besonderes.“

„Was kann Tanzen schon Besonderes sein?“

Dies mal mit der Tram von Friedas Zimmer zur Lorettostraße, ich habe noch eine lange Hose an und ein weißes Hemd und Jacke  – „das ist richtig,“ sagt Fieda und zieht einen knielangen Flatterrock an, eine luftige Bluse und eine Windjacke drüber. Und Turnschuhe, weiß und frisch gewaschen. Sie läuft fast zur Tramhalte und zieht mich mit – „ich bin schon so gespannt,“ sagt sie hechelnd, „da spielen ganz besondere Leute, und eine ganz besondere Musik.“

Drei Mark Eintritt und als Ticket ein geflochtenes, rot-grünes Band um den linken Arm bei Männern, ein blau-grünes um den rechten bei den Mädchen. Hinten eine kleine Bühne. Tische und Stühle um die Wände, ein paar Leute sitzen schon rum, meistens Studenten, manche mit Wein – oh weh, denke ich, Wein. Ein Flügel und Stühle auf der Bühne. Kommt ein Mann in Kombination: hellgraue Hose, hellgrüne Jacke, orange Schlips – recht schrill finde ich, aber zum Tanzabend ist es wohl recht.

Setzt sich an den Flügel, spielt mit der rechten Hand ein paar leichte Takte. Kommt ein Mann mit einem Baß, eine Frau mit Geige und ein Mann zum Schlagzeug, das da schon aufgestellt ist. Der Mann vom Flügel steht auf und begrüßt uns – da kommen noch viele Gäste rein, und er spielt wieder ein paar Takte. Kellner laufen umher und bringen Getränke – doch wir wollen nichts. Ich bin eher ablehnend, doch Frieda fasst mich am Arm, sieht mich an und meint, „du, sieh erstmal hin, hör erstmal hin, das ist schon was ganz Besonderes.“

Der Klavierspieler, er heißt Zwingel Axberger (ein eigenartiger Name, wohl Künstlername oder sowas), höre ich, steht nochmal auf und sagt, „liebe Leute, heute abend will ich euch was ganz Neues spielen, wir alle wollen das Neue. Ist neu aus Amerika gekommen, über den Großen Teich.“

Spielt wieder ein paar rechthändige Melodie-Takte – und fällt plötzlich mit der linken Hand ein in ein sehr rhythmisches Spiel, „Boogie Woogie –,“ ruft er aus, „Boogie Woogie“ und nochmal „Boogie Woogie“. Hinter der Bühne senkt sich langsam ein Vorhang, und auf dem steht

BOOGIE WOOGIE
THE NEW WOMAN, THE NEW MAN, THE NEW FUTURE
THE GREATEST DANCE EVER

in grünen Papierbuchstaben auf dem dunkelroten Stoff. Friedas Hand presst meinen Arm, zitternd, ich sehe wie Tränen aus ihren Augen kommen, „auf sowas habe ich schon so lange gewartet, du kannst dich freuen, bei diesem Moment dabei zu sein.“ Der Baß beginnt. Das Schlagzeug und schließlich die Frau mit ihrer Geige. Der Rhythmus wird schneller, bald ist er rasend, und mir wird unheimlich – was ist das für eine Musik? Die Benny Goodman-Big-Band oder Glen Miller ist nichts dagegen. Man hört sie ja im Radio, im AFN, die Unterhaltung der Ami-Soldaten. Mag ich nicht so gerne – fühle mich unsicher, ob ich denn das mag, was in unseren Radios tönt. Doch Frieda ist entschieden.

„Da muß ich mich unbedingt hineinversenken.“ Ein paar Mädchen stehen zögernd auf und beginnen allein zu tanzen – etwas sehr Ungewöhnliches. „Lieber würde ich aber mit dir tanzen,“ sagt Frieda. „aber wie? Was tut man denn da?“ frage ich unsicher. Der Mann am Klavier spielt leiser, die Begleitung setzt aus, und er ruft, „stellt euch still hin, allein, hört auf euren Körper, was der will, und folgt ihm. Denkt nicht erst nach, lasst ihn sich bewegen wie er will, einfach so, ohne Plan.“ Und er beginnt wieder.

Ein paar Mädchen lachen und fangen an zu zittern, der ganze Körper zittert, ihre Beine beginnen zu zittern. Ihre Röcke zittern und plötzlich fängt eine an hoch zu hüpfen, im Rhythmus springt sie auf und ab, schleudert die Arme hoch und schreit laut und ekstatisch und tanzt hin und her. Alle tragen Turnschuhe, springen hin und her, tanzen, schleudern die Arme hoch, schreien, pfeifen. Ein paar Jungs kommen zögernd dazu –  Frieda ist schon längst auf der Tanzfläche und hüpft mit, schleudert begeistert die Arme hoch. In tiefer Ekstase, fast in Trançe, ab und zu sieht sie zu mir und winkt, zu kommen, lachend, ein wenig verkrampft lachend.. Doch noch ist mir das alles zu fremd, zu outlandish, wie afrikanisches Buschfeuer, wie ganz Wildes, ich fühle mich nicht so wild.

Da springt sie auf mich zu und reißt mich an der Hand hoch und ob ich will oder nicht – ich springe mit und lasse mich tief reinfallen in diesen wilden Rhythmus. Es ist so was anderes, ich hab nie gewußt, daß ich mich so bewegen kann. Irgendwas veränderte sich eben, ganz plötzlich in mir, wie ein Schlag. DAS muß ich ausnutzen, ich muß meine Fähigkeiten ausnutzen, muß hier drin bleiben in dieser Stimmung, immer, muß so ein Tänzer bleiben ... immer. Das ist ein NEUES Leben! Und den ganzen Abend beginnt die Band neue Sachen, wird immer wilder, immer größer. – Daß mein Körper dazu fähig ist!

Frieda mir gegenüber, eine so wilde Frau habe ich noch nie erlebt, nicht mal von Weitem. Wir berühren uns nicht, sehen uns in die Augen und erleben unsere Energien, wie sie durch die Luft aufeinander zufliegen und sich einander  aufheizen, wie Feuerflammen ...

Der Klavierspieler: „denkt nicht an irgendwelche Tanzschritte sondern lasst eure Körper tun, was sie wollen, nur der Rhythmus, sonst nichts, wenn es noch eine Hemmung  gibt, vergesst sie – nun mache ich eine Pause, meine Finger wollen auch mal ruhen.“

Das war eine Stunde nach dem Anfang. Viele gehen raus auf die Straße und kühlen sich ab. Lange Diskussionen – doch Fieda will nicht diskutieren, „in Stille nachfühlen, was geschehen ist.“ Sie setzt sich auf meinen Schoß – oh ist das ein Glücksgefühl, diese geliebte Frau sitzt plötzlich auf meinem Schoß, hat dieses Vertrauen ...

Bald gehen alle wieder rein, gespannt wartend ob das denn Wirklichkeit ist, was sie bisher gehört haben. Axberger kommt rein und setzt sich ans Klavier, ein paar Takte, dann der Rhythmus – aller erkennen ihn wieder und beginnen zu klatschen und zu schreien und zu pfeifen. Nun geht es erst richtig los, von der Band kommt etwas, was wir bisher noch nie gewohnt waren, noch wilder, noch mehr auf den eigenen Körper zugeschnitten .

Immer wieder schaut er zu uns, lächelt, lacht, schüttelt seine wilde Haarmähne, seine Füße tanzen mit. Nun wird es so wild, daß viele nicht mehr allein tanzen mögen, sie müssen sich festhalten an jemandem, an zwei starken Händen. Nun tanzen Paare, und die Haare der Mädchen fliegen, sowie die Schlipse der Jungen. Die Röcke fliegen, und wie ich mich mal hinsetze, schaue ich auf die tanzenden Beine – ihr wißt, wie sehr mich Beine anrühren – und da sind die vielen Unterröcke, die mit den Kleidern fliegen, manche so hoch, daß ich die Strumpfränder sehe, die Strumpfhalter ... manches knappe Rüschen-Höschen.

Außer Atem setzt Frieda sich wieder auf meinen Schoß, schiebt ihr Kleid ein wenig hoch und zeigt mir ihre Knie, „streich da mal rüber.“ Hier in der Öffentlichkeit? Mein ganzer Körper zittert – „du zitterst ja schon wieder, wie neulich im Höllental.“ Sie ist verschwitzt, aber wunderlich: ihr Körper duftet, sehr anziehend, sehr lebendig, duftet! Unser Zoologieprofessor hat mal gesagt, daß etwa jede zehnte Frau einen solchen fraulichen Duft ausströmt – habe ich etwa das Glück, eine von denen auf dem Schoß sitzend zu haben?

Später zieht sie ihr Kleid noch höher, „sieh mal, was für Strumpfhalter ich heute habe, mit Röschen drauf.“ Die Bänder sind weiß, mit zwei roten Längstreifen. Süß, zum Ansehen – wegen der Röschen? Ach nein, wegen der Frieda und der Liebe, und wegen ihrer Beine. Ich sehe die in Seide gestrumpften Beine so dicht vor mir – oh, das Frauliche, ich merke, es fehlt mir, ich sehne mich ganz nach dem Fraulichen, ich möchte es ganz genießen. Möchte das ganz und vollständig in mir haben. Immer noch ist der Abstand von wenigen Zentimetern da, Frieda´s Beine sind noch immer ein Stück weit entfernt ... Was ist das nur, die Frau? „Streiche mal mit der Hand den Strumpf höher hinauf, bis dahin, wo er oben endet – ja das ist wundervoll, ganz die männliche Hand!“        Frau – Mann, oder?

Frieda sieht auf die Tanzenden, saugt das alles in sich auf, leuchtet, zwischendurch lenkt sie ihr Auge auf mich ohne den Kopf zu wenden, und sieht mich kurz an. Dieser kleine Blick einer Frau, habe ich noch nie erlebt. Wieder springt sie auf und tobt tanzend durch die Menge der anderen, nun packt sie sich einen andern Mann – oh – und lässt sich von ihm durch die Luft schleudern, das gehört wohl dazu, was sie nicht alles schon weiß! Sie muß sich vorgebildet haben.

So sind viele der Frauen, offen und schrill: tiefe Blicke für ein Zehntel Sekunde unter ihre Kleider: Unterröcke mit vielen Rüschen, lange Beine, Strumpfhalter, Höschen auf dem nackten Leib, Sehnsüchtigkeit – die Frau! Manche ohne ... Wo bin ich hier – ah, das sind die wahren Hexen, oder? Verführungen der Männer? „Nein,“ sagt Frieda später: „ich verführe mich selbst zu immer mehr Freiheit, da magst du gerne mittun, ist aber nicht nötig, kann ich auch alleine. Ist eine fast explosionsartige Verführung, der weite Sprung, ah ...“

Dazu sind also die Kleider und Röcke da – daß sie geöffnet werden können, daß sie flattern wie im Sturm. Was bleibt mir als Mann da nur als hinzusehen, mit erregtem, vorgebeugten Körper. Das IST Sturm.

Um Mitternacht mag es sein, da wird es ruhiger im Tanzclub, einige sind gegangen – wohin wohl? 


Seht zum Bisherigen hierhin: 


 
Frieda geht für ein paar Minuten weg und kommt zurück, umgezogen in ihr Wanderkleid und ihre Wanderschuhe und -Strümpfe. Zitternd immer noch, und in tiefer, überzeugender Ruhe, beides. „Komm, wir fahren zum Tuniberg.“ „Was jetzt noch?“ „Sieh mal raus, wie schön und wie warm es ist. Und ich weiß da einen Platz, wo wir zusammen liegen können – vielleicht schlafen. Oder was –?“

So um zwei sind wir am Fuße des Tuniberges (bei Munzingen), unter der Erentrudis-Kapelle etwa, Weinhänge, alles Weinanbau. Zwischen den Rebfeldern tief eingeschnittene Wege. Frieda lenkt mich in einen der kanalartigen Wege, wir schieben, denn der Lößboden ist so weich. Irgendwo kennt sie eine Steinhütte, in der Geräte untergebracht sind, aber Platz genug ist für uns. Auch hier der weiche Lößboden. Gut zum Liegen.

Von der Hütte aus sehen wir noch eine Zeit lang nach Süden. „Dahinten ist der Isteiner Klotz, siehst du den dunklen Schatten dort? Ein dicker Felsberg, um den der Rhein eine Kurve dreht, daneben der Berg, dahinter Basel. Du siehst doch den Schein der Stadt.“ Wenige Stunden Schlaf in die Decken gehüllt, am Morgen Blick in die Ebene, „da unten mit Wolfgang Teichrohrsänger beringt. Siehst du den Graben mit dem Schilf? Da haben wir ein Vogelfangnetz quer gespannt und die Vögel reinfliegen lassen. In wenigen Minuten war das fertig und alles wieder wie vorher, die Sänger flogen wieder zu ihren Nestern, waren aber für die Forschung markiert.“ „Was sind das für Nester?“ „Sie nehmen ein paar Schilfstengel und spinnen eine Halterung dazwischen, an die sie ihr Nest aus trockenen Grashalmen flechten.“

Bald kommt die Morgen-Sonne um die Ecke und scheint auf den Platz vor der Hütte, wir legen die Decken raus und wickeln uns zusammen ein, ganz dicht, tief umarmt. Ich erzähle, wie ich in der Nacht ihre Beine empfunden und geliebt habe. „Ja, das habe ich gemerkt, es kam so eine ganz feine Vibration aus deinen Händen in meine Beine. Ach, ich liebe meine Beine so sehr, deswegen fühle ich das wohl so. Und du hast auch deine Freude gehabt, ja?“

„Ich beneide euch Mädchen um eure Beine, aber was kann ich machen? Und daß ihr sie so frei habt, so ganz sparsame Bekleidung, fast nackt ...! Und das Kleid darüber lässt euch doch auch viel Freiheit.“

„Und dann können wir noch so vieles tun mit unseren Strümpfen, länger oder kürzer, einfarbig oder bunt, dick oder dünne – alles.“

Ich schwärme von der Nacht, „und wie ihr eure Kleider habt fliegen lassen – dazu sind Kleider eben gut und schön. Und ihr Frauen habt viele Möglichkeiten, eure Freiheit zu erobern – wie ihr wollt.“

Viel Stille, nur ein paar Vögel zwitschern in der Luft. Da kommt ein großer Hund an und schnuppert an unserem Deckenpaket – und uns darinnen. Frieda kennt ihn, „Hallo Heiko, hast du uns entdeckt?“ Ich wundere mich und frage sie, wieso sie ihn kennt. Da kommt ein Mann um die Ecke, „ach, da seid ihr ja endlich, habe euch schon gestern abend erwartet.“

„Gestern? Da war ein so heißer Tanzabend, weißt du Onkel, da mussten wir unbedingt hin. Und nun müssen wir erstmal ausschlafen. Danke, daß wir hier sein dürfen.“ Es ist schön in der Sonne, und mittags stellt sich ein Baum in den Weg damit es nicht zu heiß wird – natürlich stand er da schon immer ... Der Onkel stellt uns eine Thermoskanne mit heißem Kakao und ein paar Marmeladenbrote hin  und zieht mit Heiko weiter.

Nachmittags wachen wir wieder auf und haben so starke Bedürfnisse, uns zu fühlen, „du konservativer Mann, zieh mal endlich deine dicke Hose aus – ich bin ja sofort frei, da brauchst du nur mein Kleid hoch zu ziehen.“ Dazu musste ich nun aufstehen, denn lange Hosen sind ja fast verschmolzen mit dem Körper. „Geht die Einweihung nun weiter?“

„Ich beneide euch Männer um eure starken Beine –“ sagt sie, „und wie du so fest auf ihnen stehen kannst, fest auf dem Lößboden hier ... tu es mal.“ Ich stehe wieder auf und fühle meine starken Beine – so sehr stark kommen sie mir zwar nicht vor, doch auf diesem weichen Boden kann ich gut und fest stehen. Frieda sitzt nun, „stell dir vor ... – es geht alles mit Vorstellungen –. Stell dir vor, da geht aus jedem Bein eine Art feines Elektrokabel, durch die Fußssohlen, hinein in die Erde – was siehst du da?“

Eine Zeit lang warte ich, bis ich überhaupt das feine Kabel spüre, ja ganz fein, und ein sehr feiner Strom fließt da durch, vibriert, in die Erde hinein. Er verliert sich in der Erde. In unendlicher Tiefe, es ist alles still, selbst die Vögel schweigen. Frieda schweigt, sieht weit in die Ferne, ich höre ihren leisen Atem. „Nun siehst du, wie in diesem Kabel etwas nach oben fließt ... von unten in den Bauch, etwa da wo die Blase ist.“ Ja, da vereinigen sich diese beiden Kabel, aus jedem Bein eines, nun ist es eher wie ein dünner, weicher Schlauch aus jedem Bein – wie manche Schläuche im Chemielabor. Da verbindet sich das Innere meines Körpers mit den Beinen, mit der Erde – und da unten in der Erde ist eine Druse von Kristallen, roten, großen Kristallen, im Dunkel des Erdbodens. „Warte, ich sehe auch was du siehst,“ sagt Frieda und steht nun neben mir, bewegt sich leise hin und her.

Da fangen die Vögel wieder an zu singen – erstaunt sehe ich umher, manches in der Welt ist nun reiner, klarer, Frieda und ich umarmen uns und spüren, wie die roten Kristalle unser Grund sind, auf dem wir gemeinsam stehen. „Wir sind nun gemeinsam verwurzelt im Erdboden. Alles ist ganz klar geworden.“

„Nun können wir beide einander mit den ganzen Körpern berühren, mit den Vorderseiten, und spüren, wie Lichter zwischen uns hin und her strahlen. – Von da, wo deine Wirbelsäule endet, strahlt es zu mir rüber.  Da ist viel Rotes drin, ein roter Teich in deinem Becken, sozusagen.“

Dann lässt sie Licht von ihrem Punkt eben unter ihrem Nabel zu mir strahlen, es ist nicht mehr so stark rot, eher rosa, und wandelt sich in helles Blau. „Nun kommt es wieder von dir, vom  Nabel etwa – genauer von einem Punkt hinter dem Nabel eben vor der Wirbelsäule, und strahlt in meinen Frauenkörper ...“ sagt sie. Ich gebe viel Liebe in dieses Strahlen, Vieles aus meinem Leib in ihren. Wir stehen weiterhin umarmt. Inzwischen habe ich den Eindruck, daß unsere Vorderkörper ganz nackt sind, und wir Haut an Haut stehen. „Ich gebe dir nun von meiner großen Herz-Kraft – merkst du es? Aus der Mitte meiner Körpers zwischen meinen Brüsten – merkst du es?“

Die Mitte unserer Körper. Weder oben noch unten, weder das, was noch kommen wird noch die Kristalle in der Erde. Hier bleiben wir ein lange Zeit – nach unten haben wir Vieles erfahren, durchleuchtet, ist angefüllt. Doch weiter oben ist es unbekannt, leer, wo das wohl hinführen wird?

„Nun eine Pause. Sieh´ hinunter in die Ebene, doch nun ist da mal nichts Besonderes zu sehen, denn ... hier ist Zeichenkarton und Wachskreide. Wir malen mal, was wir zum Erlebten mit geschlossenen Augen sehen, empfinden.“ 



Hier ist mein Bild. Wenn ich an die Punkte denke, die wir eben erfühlt haben, dann sehe ich – mit geschlossenen Augen – Farben, wie sie an den Punkten erschienen. Doch weiter oben waren wir ja noch nicht, aber ich sehe ganz leicht auch Farben da.

„Das Herz ist zwar links, aber der Punkt, von dem es von mir zu dir strahlt, ist in der Mitte der Brust, merkst du´s?“
Mit einiger Vorsicht erkenne ich etwas leicht Grünes – mit geschlossenen Augen wie bisher. „Dies ist die Mitte – was weiter unten ist, haben Tiere auch, aber ab dem Herz aufwärts ist´s menschlich, meine ich.“ Während ich unten eher Rotes sah, wird es jetzt blauer – ein blauer Horizont dehnt sich aus.

Nun ein totaler Wechsel – Frieda geht zu ihrem Gepäck und holt eine kleine Handtrommel heraus und beginnt zu trommeln, sehr bald im Rhythmus wie gestern abend im Loretto-Caffee, „Boogie woogie“ ruft sie ein, zwei, drei mal wie der Axelberger gestern abend, „los stell dir vor, nun ist wieder dieser Boogie in deinen Füßen, stell dir´s vor. Und in meinen Beinen, und in meinen Augen, wie sie dich so von der Seite angesehen haben ... Und all die anderen Mädchen, die genauso begeistert waren wie ich – und du auch.“

Verwirrt – langsam beginne ich, fast hörig wie ich gerade bin, doch noch kommt nichts ingang. Meine Füße wühlen den weichen Lößboden ein wenig auf, doch Frieda trommelt unentwegt, geduldig, mahnend: „ erinnere dich, wie es in deinen Fingern zitterte, da im Caffee ...“ Da plötzlich zuckt es wieder in mir und wie wahnsinnig beginnen meine Füße und Beine zu tanzen – und dabei ist Frieda´s Trommel so ein fast Nichts im Vergleich zu Alxelberger´s Spiel. Na ja, hier auf dem Tuniberg, in der Nähe der heiligen Erentrudis ....

Frieda springt auf und wirbelt ihre Trommel in den Händen, trommelt weiter und wird fast so wild wie das Spiel gestern abend. Da toben wir auf dem Tuni-Löß umher und wirbeln, Sie springt hoch und wirbelt auf ihren Händen in die Runde, Radschlag wie die Düsseldorfer Knaben – sie hat keine Höschen an und ich wollte ich hätte auch so einen Wirbelrock an wie die Frieda. Langsam – neben dem Tanzspiel – entsteht der Gedanke, ich lass diese Mann-Frau-Muster mal los für eine Weile und ziehe an was ich möchte, was mir tatsächlich Spaß macht – zum Tanzen so was wie die Frieda. Da beginnen unsere Füße zu wirbeln – der staubige Löß wirbelt auf – später sind unsere Füße und Beine bedeckt mit den grau-weißen Pulver. 


Frieda lässt sich fallen und liegt sofort still da, wälzt sich auf den Bauch und „mach das auch so, und lass die Energie der Erde in deinen Bauch einstrahlen – das ist das Ende dieser wilden Tanzerei.“ Nach einiger Zeit legen wir uns so, daß die Bäuche sich berühren, und nun spüre ich erst richtig die Wärme ihres Körpers. 

Unsere Haut ist überall mit Löß bepudert, alles ist still, und zwischen unseren Körpern ist die wohlige Trockenheit des Lößpuders, kein Schweiß wie es nach der Wildheit des Tanzens so sein müsste. Ich streiche über ihre Schenkel, den Po, Rücken und Schultern, überall diese wohlige Trockenheit. Irgendwo hat sie auch den Rock noch an und ein wenig Unterwäsche um die Strümpfe zu halten – aber sonst? Ach – wie ich es früher gelesen habe, in meiner Sehnsucht – die Mädchen sind ja viel freier als wir Männer. Freier und offener sind sie gekleidet, und es fällt ihnen leicht, mal eben den Rock zu heben. Würde mir das auch leicht fallen? Ich glaube da wäre ich sehr scheu.

So vergehen die Stunden am Tuniberg, sucht ihn mal im Atlas oder im Lexikon, seht wie es da aussieht, und denkt Euch, da wäre ein Mädchen und ein Junge in enger, tiefer Umschlingung, ganz still und unbeweglich, genießerisch einander erleben, und die eigenen Körper. Wie es schließlich Abend wird. Frieda springt plötzlich auf und lacht, lacht, laut und so, daß eventuell in der Nähe liegende Hasen aufgeschreckt werden und wegrennen. „Siehst du, das war der zweite Teil der Einweihung. „Ach,“ sage ich, „so ist das also.“

„Das nächste Mal im Badloch, ja?“ Ich habe keine Ahnung, was sie damit meint, aber mittlerweile vertraue ich ihr so blind und hingegeben.




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